Die Samaraer Staatliche Akademie fuer Kultur und Kuenste
Das Institut "Freie Gesellschaft" (Soros-Stiftung)

Die Internationale wissenschaftliche Konferenz "Informationswelt der Region als Voraussetzung fuer die Gestaltung der Informationskultur des Individuums"


Information und Kultur: Vektoren der Synthese

M.G. Wochryschewa

Russland, die Stadt Samara,
die Samaraer Staatliche Akademie fuer Kultur und Kuenste

Die Synthese von Information und Kultur wird auf der Grundlage der Vorstellungen ueber ihre Aehnlichkeit, ihre Unterschiede und Formen der Wechselverwandlungen sichtbar. Das sind zwei Phaenomene, die viele gemeinsame Zuege haben. Der erste davon ist die Globalitaet (Verallgemeinerung, Universalitaet), die durch Vielseitigkeit der Beziehungen zur Realitaet, durch verschiedene Wirkungsweisen der Menschen zum Ausdruck kommt.

Die Information ist einer der Grundbegriffe der Gegenwart, wodurch die Begriffe "Informationsgesellschaft" und "Informationszivilisation" ins Leben gerufen sind. Fuer die Information gibt es keine Staatsgrenzen und keine Weltteile, sie hat einen totalen, durchdringenden Charakter. Genauso weit sind die Grenzen der Kultur, die der Kunst, der Moral, der Religion, der Wissenschaft nahekommt und die sich in denen in gewissem Sinne verliert.

Der zweite wichtige Aspekt, der die Gemeinsamkeit dieser Erscheinungen bestimmt, ist die Tatsache, dass ihr Bestehen gegenseitig bedingt ist: kulturelle Prozesse werden durch Informationsprozesse verwirklicht und verkehrt. Das wirkungsvolle Funktionieren der Kultur ist nur durch Sammlung, Bearbeitung, Aufbewahren und Vermittlung von Information ueber die Umwelt, in der die Kultur existiert, und ueber sich selbst moeglich.

Der Mensch des XX. Jahrhunderts lebt in einem medialen Raum, der seine neue Wohnwelt, Wirklichkeit der gegenwaertigen Kultur bildet. Neue Technologien (Multimedia, kommunikative AVmittel) sind in alle Lebensbereiche eingedrungen. Die Media sind zum Hauptproduktionsmittel der gegenwaertigen Kultur geworden, und nicht nur zu einem Getriebe. Die Videokultur spielt eine wichtige Rolle bei der Sozialisierung der Persoenlichkeit und bei der Bildung ihrer Wertstrukturen.

Die Information und die Kultur sind semiotische Zeichensysteme, die durch Zeichen und Textbezogenheit gekennzeichnet sind. Unter Beruecksichtigung der grossen Anzahl von den Interpretationen der Kultur wird sie auch als Gesamtheit von Kunstprodukten, Inhalten, Zeichen betrachtet, das heisst als ein Informationsprozess.

Bei den Tieren wird die Information durch den Organismus selbst chiffriert, ihre Vermittlung erfolgt auf dem genetischen Wege. Die Entstehung der Kultur ruft das System der Informationsaufbewahrungs-, Informationsvermittlungs- und Informationsverarbeitungsmittel ins Leben. Dieses System wird immer komplizierter. Es entwickelt sich ein neuer Typ des Informationsprozesses. Die Information wird durch die in Bezug auf den Menschen externen Strukturen chiffriert. Es wird eine soziale Information geschaffen, die durch Zeichensysteme zum Ausdruck kommt, d.h. es wird der aussergenetische Mechanismus der Vererbung geschaffen. Von diesem Standpunkt aus kann die Kultur als soziale Information dargestellt werden, die in der Gesellschaft durch die von den Leuten geschaffenen Mittel aufbewahrt, gespeichert und vermittelt wird.

Der Unterschied zwischen der Information und der Kultur kommt auf der Ebene der Mittel zur Welterkenntnis zum Vorschein, auf der Ebene der internen Entwicklungsgedanken, die im allgemeinen darin zusammengefasst werden koennen, dass die Kultur sich auf den Primat der philosophischen und aesthetischen Elemente stuetzt und die Information auf den Primat der wissenschaftlich-technischen Elemente. Die Information ist in der Gesellschaft von heute eine Ware und dabei eine teure, was die Voraussetzungen entstehen laesst, die die Kriterien fuer die Wertschaetzung der jeweiligen Kulturerscheinungen als echter Kostbarkeiten undeutlich machen. Unter diesen Umstaenden muss die Menschheit tiefgreifende, wertmaessige Einstellungen aendern, sie muss die Kulturwelt und die Informationswelt zur Harmonie bringen. Der wertmaessige Aspekt (die Bedeutsamkeit) ist einer der wichtigsten in der Kultur und der Hauptwert kommt dabei einem Menschen zu. Daraus folgt, dass die humanistische Einstellung zur Information mit dem Vorrang des Menschen in der informationskulturellen Welt verknuepft werden muss, dass ihre weiteren Bestandteile (Kenntnisse, Technologien, Faehigkeiten) dieser fuehrenden Idee unterstellt werden muessen. Die Wirksamkeit der Gesellschaft ist viel mehr von der Wahl der grundlegenden geistigen Werte abhaengig als von den Informationstechnologien, die im Grunde genommen nur als Hilfsmittel fuer Werte des hoeheren Ranges dienen.

Die Information und die Kultur sind jene Kraefte, die die Lebensweise eines Menschen wesentlich veraendern und die ganze Gesellschaft umwandeln koennen. Um die Information ein Mittel zum Erreichen der hoechsten Lebensziele werden zu lassen, ist eine Kontexteinstellung notwendig, die von der Moral, der Geistigkeit und der Kultur ausgeht.

Den Grund fuer eine Synthese der Information und der Kultur bildet das Prinzip der Wechselwirkung. In der gegenwaertigen Philosophie gilt es als eines der Hauptprinzipien, das die Koexistenz verschiedener Tendenzen und Vorgaenge bestimmt und eine Entwicklungsquelle der Natur und der Gesellschaft sowie eine Stabilitaetsvoraussetzung ist.

Als ein Synthesevektor ist der Prozess der Wechselwirkung der Information und verschiedener Informationsbereiche zu betrachten, vor allem der Kunst und der einzelnen Kunstarten sowie der Einrichtungen und Institutionen, die die Kulturtaetigkeit ausueben. Diese Richtung erschliesst ein weites Problemfeld und zwar solche Probleme wie "Information und Theater", "Information und Musik", "Information und Museen", "Information und Bibliotheken" usw.

Das Haupterzeugnis der Kunst ist ein Werk, das ein Kunstprodukt der Kultur und ein Traeger der bestimmten Information, d.h. ein Text ist. Die Information wird ihrerseits durch einen Text realisiert, der als ein selbstaendiges Werk zu betrachten ist, das den Inhalt und eine bestimmte Struktur besitzt, das eine Form hat, die den Inhalt gestaltet. Die nach den Aspekten differenzierte Einstellung zur Kunst und zu einzelnen Kunstarten (vom Standpunkt der Informatik aus) und zur Information (in Bezug auf die Kunst) hat eine gute Forschungsperspektive.

Man kann also vom Bereich der Sozialkommunikation als von einer der wichtigsten Richtungen der Synthese der Informatik und der Kultur sprechen.

Das Wesen der Museumskunde wird veraendert, weil museale Kostbarkeiten die Museumsgrenzen ueberschreiten, sozusagen entfremdet werden und ihr eigenes Leben beginnen. Das vollzieht sich durch Vervielfaeltigung und Verkauf der Museumsstuecke, durch Eindringen der Computertechnik in die Ausstellungen und Bestaende, durch Wiedergabe der Kunstwerke auf den CDs. Es ist ein neues Phaenomen im Bereich der Medien und der Kommunikation entstanden, das die herkoemmlichen Vorstellungen von den Buechern, vom Kino und Fernsehen veraendert, naemlich ein Roman, der speziell fuer CD-ROM geschaffen worden ist. Das ist eine kommunikative Form, die den "Leser" nicht nur zum Mitautor werden laesst, sondern auch zum Fernsehteilnehmer, zum Kino-, Museumsbesucher und zum Videospieler zugleich.

Der wichtigste Vektor der Synthese der Information und der Kultur ist die Bildung. Das konzeptionell begruendete Bildungswesen dient als ein Mechanismus zur praktischen Verwirklichung jedes Modells der Gesellschaft durch die Ausbildung des zukuenftigen Taetigkeitssubjektes. Kulturelle Bedingtheit der Weltanschauung der Lernenden, Aneignung der kulturfreundlichen Einstellung zur Welt und zum Menschen sind zum wichtigsten Bestandteil des Bildungsprozesses geworden. Den Inhalt einer solchen Weltauffassung bildet das Streben nach den echten Kulturwerten und die Abtrennung der Erscheinungen der Antikultur, was die Aneignung der Unterscheidungskriterien zum Ziel der Ausbildung macht. Die Bildung des Systems der Kriterien und der Einschaetzungen im Bewusstsein und in der Verhaltensweise des Lernenden wird zum Kern der kulturbildenden Funktion der Ausbildung.

Als ein Vektor der Synthese der Information und der Kultur ist der Prozess der Gestaltung der Informationsgesellschaft zu betrachten, die zum Gegenstand der immer groesseren Anzahl der einheimischen und auslaendischen Veroeffentlichungen wird; darin wird ihr Werdegang in verschiedenen Laendern geschildert, darin werden ihre Hauptmerkmale festgestellt und verschiedene Aspekte ihres Funktionierens analysiert, unter anderem positive und negative Folgen sozialen Charakters. Die Kategorien "Kenntnis", "Information", "Kultur" sind Hauptkategorien geworden, die die Grundlage der Vorstellungen von der Informationsgesellschaft bilden. Sie wiederspiegeln die Ressourcen, die ihrem Charakter nach einzigartig sind, deren Umfang und deren Wert bei ihrer Benutzung groesser werden. Sie werden als Ressourcen der Zukunft betrachtet, weil sie durch intellektuelle Bemuehungen des Menschen erneuert werden. Die Informationsgesellschaft ist die Voraussetzung fuer eine stabile Entwicklung, fuer das Weiterleben der Zivilisation und fuer das Erhalten der Biosphaere des Planeten. Waehrend die Information frueher bei der Entwicklung eine Nebenrolle spielte, offenbart sie heute ihr Riesenpotenzial, das immer oefter an Stelle der Sach- und Energieressourcen tritt.

Die Information und die Kultur koennen als gegenseitig durchdringende Bereiche dargestellt werden, in deren Durchdringungszone ein Raum gebildet wird, der als Informationskultur bezeichnet wird. Sie bestimmt die Kultur der Wechselwirkung des Menschen und der Information. Die Wechselwirkung erfolgt sowohl auf der oeffentlichen als auch auf der persoenlichen Ebene, jede Betrachtungsweise erschliesst spezifische Zuege der Verwandlung der Informations- und Kulturvorgaenge in neue synthesierte Formen.

Der Weg zur Wirklichkeit des neuen Jahrhunderts fuehrt also durch die Synthese der Information und der Kultur und somit durch die Verknuepfung der sozialen humanistischen Ideen, der naturwissenschaftlichen Kenntnisse und der kuenstlerischen Aneignung der Wirklichkeit.



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